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Theaterstück mit Gabriele Bernstein, Gerrit Bernstein und Ingo Fromm
Regie: Katharina Bihler
Premiere 9.11.2006 im Theater im Viertel (tiv),
Nauwieserstraße 13, 66111 Saarbrücken
DAS STÜCK
In
"Mutters Courage" erzählt Tabori, warum seine Mutter an einem Sommertag
1944 viel zu spät zum verabredeten Romméespiel bei ihrer Schwester kam.
Elsa Tabori wurde zusammen mit vielen anderen ungarischen Juden zusammengetrieben,
um von Budapest nach Auschwitz deportiert zu werden. Schicksalhaft und durch
eine überaus mutige Entscheidung im richtigen Moment, gelingt es Frau Tabori,
der Hölle um Haaresbreite zu entkommen.
Die Unerbittlichkeit, das nicht Vorhersehbare und der jüdische Humor sind
die besonderen Merkmale dieser außergewöhnlichen Geschichte des virtuosen
Dramatikers und Erzählers Tabori. Obwohl der inzwischen zweiundneunzigjährige
George Tabori auch Romane und Erzählungen geschrieben hat, ist er im deutschsprachigen
Raum vor allem als Dramatiker und Theaterregisseur bekannt. Immer wieder
setzt er sich mit dem Holocaust auseinander, dem zahlreiche Familienangehörige
- darunter sein Vater- zum Opfer gefallen waren.
PRESSE
| Saarbrücker Zeitung, 11.11.2006
Bitte
weiter so
Ausgesprochen geglückte Premiere von "Mutters Courage" im Theater im
Viertel
Rappelvoll war das Saarbrücker Theater im Viertel bei der Premiere von ,,Mutters
Courage". Und es gab mit Recht viel Applaus für die Inszenierung des Tabori-Stückes.
Von SZ-Redakteurin Silvia Buss
Saarbrücken. Vorsicht ist angebracht bei Keller-Regalen, diesen Horten alter
Sachen, die man längst vergessen hatte. Ein Mann (Ingo Fromm), eine Frau
(Gabriele Bernstein) und ein Junge (Gerrit Bernstein), die sorgsam schwarze
Seidenpapiere von den Regalfächern lüften: So harmlos beginnt Katharina
Bihlers Inszenierung von Georges Taboris "Mutters Courage". Um uns in den
nächsten eineinhalb Stunden, wie ein altes Kellerregal, mit immer neuen
Überraschungen zu beglücken. Und das bei einem der Kapitel aus der deutschen
Geschichte, das man so gern das "dunkelste" nennt.
Tabori schildert in seinem Stück - ursprünglich eine Erzählung - wie seine
Mutter Elsa im Jahr 1944 auf dem Weg zum Rommé-Spiel bei der Schwester nur
durch Zufall und eine unglaubliche Portion Courage der Deportation nach
Auschwitz entkam.
Der Junge entdeckt ein Manuskript und fängt an vorzulesen, die Frau greift
nachdenklich nach einer Damenhandtasche, der Mann notiert alle Fundstücke
penibel. "Der liebe Gott steckt im Detail", weiß er, weiß Tabori - und das
ist auch die Qualität von Bihlers Inszenierung im TiV. Beim Stöbern gleitet
ihr Dreiergespann allmählich in die Vergangenheit ab, um furios zwischen
Erzählern und Darstellern der Geschichte hin und her zu wechseln. Sie tauchen
den Zuschauer in ein Gefühlsbad mit starken, eindrücklichen Szenen, die
Taboris hintersinnigen Humor, seine Vorliebe für die Groteske, um das Schreckliche
zu bannen, originell gestalten. Da hampeln etwa die beiden tattrigen Polizisten,
die die Mutter verhaften, als Chaplin-Clowns mit Papp-Bärten. Ebenso stark:
Wie beim Transport im Viehwagen mit einem Diaprojektor das Licht simuliert
wird, das durch die Ritzen dringt. Bis zu den Hinterzimmern nutzt man die
Räumlichkeiten des Theaterchens als Bühne aus, so als wäre es genauso für
das Stück gebaut. Herrlich auch der Umgang mit Geräuschen: Wenn das typische
Seufzen der Mutter oder die Stimmen anderer Deportierter vom Kassettenrekorder
abgerufen werden, so wird damit auch immer, wie im Stück angelegt, das Erinnern
selbst reflektiert. Zum ersten Mal haben Ingo Fromm, Gerrit Bernstein, Gabriele
Bernstein und Katharina Bihler für diese Produktion zusammengearbeitet.
Da wünscht man: weiter so!
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